Johanna HĂŒgel (Heisig)
Kontakt
Albert-Ludwigs-UniversitÀt Freiburg
GRK 1956 Kulturtransfer und âkulturelle IdentitĂ€tâ
StadtstraĂe 5
79104 Freiburg im Breisgau
Deutschland
johanna.huegel@mail.igk1956.uni-freiburg.de
Kunst, Ethnographie und das verborgene Leben der Dinge, Petersburg 1890-1920
Mein Projekt untersucht die kĂŒnstlerische Auseinandersetzung mit ethnographischen und archĂ€ologischen Objekten im russischen Imperium des beginnenden 20. Jahrhunderts. Die Untersuchung beginnt in der zweiten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts, in der durch Ausgrabungen in Zentralasien und Expeditionen in die entlegenen Gebiete des Zarenreiches die Voraussetzungen fĂŒr diese Auseinandersetzung geschaffen werden. Bereits an der ethnographischen Auseinandersetzung und Akquise der Objekte bei âExpeditionenâ im ganzen Imperium sind KĂŒnstler*innen wie Kandinskij und Roerich (als Ethnograph*innen bzw. ArchĂ€olog*innen) beteiligt. Die Bedeutungen und Kontexte der Objekte wandeln sich von Alltagsobjekten (GebrauchsgegenstĂ€nden, Ritualobjekten) zu ethnographischen Artefakten, denen ein Hinweischarakter auf das âkulturelle Ganzeâ der Herkunftsgemeinschaften zugeschrieben wird. Diese VerĂ€nderung wird manifest, wenn die Objekte in die Hauptstadt Sankt Petersburg transportiert und dort in der Kunstkamera bzw. im Museum fĂŒr Anthropologie und Ethnographie (ĐĐĐ) sortiert, klassifiziert und in neue Narrative eingebettet werden. In den beiden Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende findet im ĐĐĐ ein weiterer Aneignungsprozess statt: Die Objekte werden nun von KĂŒnstler*innen entdeckt und auch fĂŒr die Kunst geöffnet, beziehungsweise selbst zu Kunstwerken erklĂ€rt. Damit ergibt sich eine neue Verschiebung in der epistemologischen und soziokulturellen Bewertung der Objekte. WĂ€hrend an diesem Prozess einige der bekanntesten Protagonist*innen der sogenannten ârussischen Avantgardeâ wie Mikhail Larionov, Natalâja GonÄarova und Kazimir MaleviÄ beteiligt sind, spielt der im Vergleich dazu relativ unbekannte lettisch-russische KĂŒnstler und Kunsttheoretiker Vladimir Markov (Voldemars Matvejs) eine SchlĂŒsselrolle. Markov fotografiert in den Jahren 1912-13 zahlreiche ethnographische Objekte und publiziert die ersten russischsprachigen Schriften zu afrikanischer, ozeanischer und nordasiatischer Kunst.
Ich möchte eine Interpretation des kĂŒnstlerischen Interesses an ethnographischen und archĂ€ologischen Objekten an zwei Achsen vorschlagen. Erstens lĂ€sst es sich interpretieren als eine grundlegende Neuverhandlung und Ăffnung der Wissensordnung, die seit der AufklĂ€rung das Referenzsystem fĂŒr die europĂ€ischen Wissenschaften und KĂŒnste bereitstellte. Die ethnographischen Objekte liefern nicht nur neue Ă€sthetische Impulse, sondern scheinen fĂŒr die KĂŒnstler*innen auf alternative Wissenssysteme jenseits des Dispositivs der ReprĂ€sentation zu verweisen. Zweitens entsteht durch die kĂŒnstlerische Aneignung von Ethnographie und ArchĂ€ologie eine Visualisierung einer historischen Tiefenzeit, deren Projektion sich spiegelbildlich zum Entwurf einer europĂ€ischen Moderne verhĂ€lt.
Betreuungsteam:
Prof. Dr. Dietmar Neutatz
Prof. Dr. Dorothee Kimmich
Prof. Dr. Aleksej Ćœerebin [bis 13.3.2022]
Ab Mai 2022
Forschungsstipendiatin des Leibniz-Instituts fĂŒr europĂ€ische Geschichte, Mainz
Dez 2018 â April 2022
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im GRK 1956 âKulturtransfer und
âkulturelle IdentitĂ€tâ â Deutsch-russische Kontakte im europĂ€ischen Kontextâ
Seit Dez 2018
Doktorandin im GRK 1956 âKulturtransfer und âkulturelle IdentitĂ€tâ â Deutsch-russische Kontakte im europĂ€ischen Kontextâ
Sep â Nov 2018
Dreimonatiger Studien- und Forschungsaufenthalt an der Staatlichen Ilia UniversitÀt Tbilissi, Georgien
Juli 2018
Teilnahme am Meisterkurs âKosmopolitismus. Eine Idee und ihre Geschichte seit der AufklĂ€rungâ mit JĂŒrgen Osterhammel
MĂ€rz 2018
Annahme als Doktorandin an der Philosophischen FakultĂ€t der UniversitĂ€t TĂŒbingen
MĂ€rz â Nov 2018
Mitarbeiterin des BKM-Projekts âWandernde Dinge und migrierende Menschen. Zur Aufarbeitung des schwĂ€bischen Erbes in Georgienâ
Jan â Nov 2018
Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl fĂŒr Literaturwissenschaftliche Kulturwissenschaft/ Kulturtheorie (Prof. Dr. Dorothee Kimmich)
Okt 2017
Staatsexamen in den FĂ€chern Geschichtswissenschaften und Germanistik
Okt 2016 â Juli 2017
Teilnahme am Studienkolleg des Forum Scientiarum der UniversitĂ€t TĂŒbingen (Kollegjahr âRaum und Zeitâ)
WS 2015/16
DAAD â Stipendiatin an der Staatlichen UniversitĂ€t Moskau, Russische Föderation
Okt 2015 â MĂ€rz 2016
Sechsmonatiges Praktikum am Russisch-Deutschen Institut fĂŒr Wissenschaft und Kultur der Staatlichen UniversitĂ€t Moskau, Russische Föderation
Jan 2016
Sechswöchiges Praktikum an der Schule 1231 imeni V. D. Polenova, Moskau, Russische Föderation
Jan 2014 â Juli 2017
Stipendiatin der Friedrich â Ebert â Stiftung
2013 â 2015
Mitarbeiterin des BKM-Projekts âZirkulation von Nachrichten und Warenâ des Instituts fĂŒr OsteuropĂ€ische Geschichte und Ludwig Uhland Instituts fĂŒr Empirische Kulturwissenschaft
April 2012 â Aug 2017
Studentische Hilfskraft am Institut fĂŒr OsteuropĂ€ische Geschichte und Landeskunde der UniversitĂ€t TĂŒbingen (Prof. Dr. Klaus Gestwa)
Okt 2011
Eberhard Karls UniversitĂ€t TĂŒbingen
Studium der Geschichtswissenschaften, Germanistik, evangelische Theologie
Veranstaltungen
(am Institut fĂŒr OsteuropĂ€ische Geschichte und Landeskunde der Eberhard Karls UniversitĂ€t TĂŒbingen)
Tutorium zum Proseminar âDie ZĂ€sur 1812: Wie der Feldzug in Russland zum VaterlĂ€ndischen Krieg wurde und die napoleonische Ăra beendeteâ von Dr. Anna Ananieva (Sommersemester 2012).
Tutorium zum Proseminar “St. Petersburg: Stadtgeschichte, soziale RĂ€ume und ihre Akteure” von Dr. Anna Ananieva (Wintersemester 2012/2013).
Tutorium zum Proseminar âFamilie und Kindheit im russischen Kaiserreichâ von Dr. Katharina Kucher (Wintersemester 2014/15).
Tutorium zur Ăbung âUkraine. Geschichte und Gegenwart einer europĂ€ischen Nationâ von Prof. Dr. Klaus Gestwa (Sommersemester 2015).
Tutorium zum Proseminar âPopulĂ€re Medien und Praktiken: Stadtleben und Kulturkonsum im östlichen Europa des 19. Jahrhundertsâ von Dr. Anna Ananieva (Sommersemester 2015).
Mentorat zu der Vorlesung âGeschichte Sibiriens vom 16. Bis 21. Jahrhundertâ von Prof. Dr. Klaus Gestwa (Sommersemester 2016).
VortrÀge
MĂ€rz 2022
âDas ethnographische Objekt als Ursprung von Kunst und Kulturâ, Vortrag
im Rahmen des Workshops âKolonialisierung der Vergangenheitâ,
17.-18.03.2022, UniversitÀt Frankfurt a. M. (online).
Mai 2021
âEthnographie wird Kunst. Eine Objektgeschichte von der Amurregion in die Petersburger Avantgardeâ, Vortrag im Kolloquium von Prof. Dr. Bernhard Kleeberg, UniversitĂ€t Erfurt
April 2021
âDie Entdeckung der Tiefenzeit, Darwin und die Institutionalisierung der Ethnographie im russischen Imperiumâ, Working-Paper PrĂ€sentation im Kolloquium von Prof. Benjamin Schenk, UniversitĂ€t Basel
Project Presentation, International Flying Colloquium History of Science in Central, Eastern and Southeastern Europe (https://hpscesee.blogspot.com/)
MĂ€rz 2021
âMit den Dingen Geschichte schreiben. Impulse aus der ANT am Beispiel eines Netzwerkes zwischen Ethnographie und Kunst um die Jahrhundertwendeâ, Workshop Netzwerke in der Kulturtransferforschung mit Prof. Stephan Packard
Februar 2021
Organisation und DurchfĂŒhrung des Doktoranden-Textworkshops mit Prof. Dietmar Neutatz, UniversitĂ€t Freiburg (digital)
âEthnographie wird Kunst. Eine Objektgeschichte von der Amurregion in die Petersburger Avantgardeâ, Vortrag im Kolloquium von Prof. Klaus Gestwa, UniversitĂ€t TĂŒbingen
Februar 2020
âDer Djulin â eine Objektgeschichteâ, Vortrag im Kolloquium von Prof. Dorothee Kimmich, UniversitĂ€t TĂŒbingen
Juli 2019
âBilderwelten und Weltbilder. Kunst und Ethnographie im Russischen Imperium zu Beginn des 20. Jahrhundertsâ, Projektvorstellung im Kolloquium von Prof. Dietmar Neutatz, UniversitĂ€t Freiburg
Juni 2019
âAn Imperial Imaginary of the East? Asien-Konzepte der neoprimitivistischen Avantgardeâ, Projektvorstellung im Kolloquium von Prof. Andreas Renner und Prof. Riccardo Niccolosi, LMU MĂŒnchen
MĂ€rz 2019
âMarkov liest Frobenius. Eine Begegnung zwischen Kunst und Ethnographieâ, Internationale Konferenz âEuropĂ€ische Avantgarden: Kontakt â Transfer â Transformationâ, RGGU Moskau
MĂ€rz 2022
âDas ethnographische Objekt als Ursprung von Kunst und Kulturâ, Vortrag im Rahmen des
Workshops âKolonialisierung der Vergangenheitâ, 17.-18.03.2022, UniversitĂ€t Frankfurt a.
M. (online)
Veröffentlichungen
Tagungsbericht: Antirassistisches Kuratieren: wie geht das?, In:
H-Soz-Kult, 22.08.2022,
<www.hsozkult.de/conferencerep
HĂŒgel, Johanna: “Vladimir
Markov, die Faktura und die kĂŒnstlerische Auseinandersetzung mit der
Ethnographie, Petersburg 1914”, in: Bakshi, Natalia; CheaurĂ©,
Elisabeth; Kemper, Dirk (Hg.): Im Labyrinth der Kulturen. Festschrift
fĂŒr Aleksej Ćœerebin, Paderborn 2022, S. 295-309.
HĂŒgel, Johanna: Die Krise der ReprĂ€sentation, die Faktura und die kĂŒnstlerische
Auseinandersetzung mit der Ethnographie, Petersburg 1914, in: Bakshi, Natalia; Cheauré,
Elisabeth; Kemper, Dirk (Hg.): Im Labyrinth der Kulturen. Festschrift fĂŒr Aleksej Ćœerebin,
Paderborn 2022, S. 295-309.
HĂŒgel, Johanna: Markov liest Frobenius. Eine Begegnung zwischen Ethnographie und Kunst,
in: Lileev, Juirj; Pörzgen, Yvonne; Zanucchi, Mario (Hg.): EuropĂ€ische Avantgarden um 1900. Kontakt â Transfer â Transformation, Paderborn 2021, S. 263-278.
HĂŒgel, Johanna “Kotzebue, der Kosmopolitismus und die Weimarer Klassik â eine Polemik,” in: Kotzebue International, 04/05/2021, https://kotzebue.hypotheses.org/518.
Tagungsbericht: Kulturelle Spuren Georgiens in Deutschland, 04.10.2018 â 05.10.2018 Tiflis, in: H-Soz-Kult, 22.11.2018, (abrufbar unter: www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7956).
Tagungsbericht: European Elites and Revolutionary Change: 1789 â 1848 â 1917. The Aftermath, 02.11.2017 â 03.11.2017 London, in: H-Soz-Kult, 08.12.2017, (abrufbar unter: www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7433).
Musikalische Unterhaltung bei Charles Mayer (1799â1862), in: Ananieva, Anna (Hg.): Zirkulation von Nachrichten und Waren, Stadtleben, Medien und Konsum im 19. Jahrhundert, TĂŒbingen 2016, S. 183 â 190.