Charlotte Murphy

Charlotte Murphy

Kontakt

Albert-Ludwigs-UniversitÀt Freiburg
GRK 1956 Kulturtransfer und ‚kulturelle IdentitĂ€t‘
Stadtstraße 5
79104 Freiburg im Breisgau
Deutschland

charlotte.murphy[at]grk1956.uni-freiburg.de
Tel.: +49 761 203 98571

 

Projekt

In Sidurs Atelier: Der nonkonformistische KĂŒnstler und Bildhauer Vadim Sidur zwischen sowjetischer Kulturpolitik und auslĂ€ndischer Vernetzung

Der Kriegsteilnehmer und Bildhauer Vadim Sidur (1924–1986) zĂ€hlt zu den bekanntesten nonkonformistischen sowjetischen KĂŒnstlern des 20. Jahrhunderts. Nach bildhauerischen Erfolgen wĂ€hrend der Tauwetterperiode fiel Sidur Ende der 1950er Jahre aufgrund seines ausdrucksstarken Stils und seiner „formalistischen“ Werke negativ auf, deren Motive nicht den damaligen Vorgaben des Sozialistischen Realismus entsprachen. Mit der verschĂ€rften Kontrolle der KPdSU ĂŒber die Kunst ab 1962, dem kulturellen ‚Frost‘, wurde Sidur bald nicht mehr ausgestellt und erhielt keine AuftrĂ€ge mehr. Er verdiente seinen Lebensunterhalt fortan mit Illustrationen und der Herstellung von Grabsteinen. Sidur blieb jedoch sein Moskauer Kelleratelier, in das er sich Ende der 1960er Jahre in die ‚innere Emigration‘ zurĂŒckzog. Schnell entwickelte sich das Kelleratelier zu einem Treffpunkt fĂŒr Dissident:innen und Intellektuelle aus dem In- und Ausland und insbesondere fĂŒr die „deutsche Insel in Moskau“. In seinem Atelier lernte Sidur auch den deutschen Slawisten Karl Eimermacher kennen, der in den nĂ€chsten Jahren ein guter Freund und Vermittler seiner Kunst in die Bundesrepublik wurde. Über die Vermittlungs- und UnterstĂŒtzungsarbeit Eimermachers und weiterer Vermittlerpersonen entstand in der Bundesrepublik eine Plattform fĂŒr Sidurs kĂŒnstlerisches Schaffen. Am 13. Oktober 1974 wurde als Ergebnis einer BĂŒrger:inneninitiative in der Kasseler FußgĂ€ngerzone die Plastik „Der Gefesselte“ (Monument fĂŒr die Opfer der Gewalt) von Sidur im Großformat aufgestellt, die er einem deutschen Besucher seines Ateliers geschenkt hatte. Darauf folgten auch in anderen StĂ€dten weitere Plastiken, die an den Zweiten Weltkrieg erinnern und gegen Krieg und Gewalt mahnen, darunter „Treblinka“ (1979, Berlin-Charlottenburg), „Der Mahner“ (1985, DĂŒsseldorf) und „Tod durch Bomben“ (1993, WĂŒrzburg). Im Kontext des Kalten Krieges und der bundesdeutschen Aufarbeitungsdiskurse wurde der Kunst des „russischen“ KĂŒnstlers Sidur in der BRD in intellektuellen Kreisen mit Offenheit begegnet. Seine Erfolge im Ausland begleitete Sidur aus seinem Kelleratelier ĂŒber Korrespondenzen, wobei er jedoch nie die Sowjetunion verließ.

Ziel und Erkenntnisinteresse dieses Promotionsprojekts ist es, auf der Basis des Quellenmaterials die Rolle von Sidurs Moskauer Kelleratelier als Knotenpunkt fĂŒr die Herausbildung seines transnationalen Netzwerks zu untersuchen, das der KĂŒnstler aus der ‚inneren Emigration‘ in den 1960er bis 1980er Jahren pflegte. Aus einer Netzwerkperspektive (Hollstein & Straus 2006; Stegbauer 2016) werden einzelne Mittlerpersonen, Kontakte und Beziehungsstrukturen herausgearbeitet, die Sidur aus seinem Atelier heraus eine Stimme gaben und ihn in seinem kĂŒnstlerischen Auftrag als ‚Mahner‘ gegen Krieg, Gewalt und Zerstörung unterstĂŒtzten – aus seinem Atelier in die Bundesrepublik.

Ich eröffne somit eine neue Perspektive auf die kulturpolitische Lage in der spĂ€ten Sowjetunion und erforsche zugleich die persönliche Geschichte eines Nonkonformisten, der ein Netzwerk kulturpolitischer AktivitĂ€t zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion ĂŒber den Nylon Curtain (György PĂ©teri) hinweg sichtbar macht.

 

Betreuungsteam:
Prof. Dr. Dietmar Neutatz (Erstbetreuung)
Prof. Dr. Weertje Willms
Prof. Dr. Dirk Kemper [bis 13.3.2022]


Vita

Seit Oktober 2020

Kollegiatin des Graduiertenkollegs 1956 „Kulturtransfer und ‚kulturelle IdentitĂ€t‘ – Deutsch-russische Kontakte im europĂ€ischen Kontext“ an der Albert-Ludwigs-UniversitĂ€t Freiburg

2017 – 2020

Master of Arts im Fach „Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas“, Europa-UniversitĂ€t Viadrina, Frankfurt (Oder), Deutschland

Abschlussarbeit: Erinnerungspraxis und Ehrenamt – eine Untersuchung (zivil-)gesellschaftlichen Engagements im Geschichtsbereich im heutigen Russland

2013 – 2017

Bachelor of Arts in den FĂ€chern Geschichte und Politikwissenschaft, UniversitĂ€t OsnabrĂŒck

Abschlussarbeit: Zwischen Deutschland und Polen: 1956-1972. Das Anliegen der bundesdeutsch-polnischen Schulbuchrevision im Spiegel der Zeit


Auslandsaufenthalte

MĂ€rz 2020

Forschungsaufenthalt in Moskau an der Higher School of Economics, Moskau, Russische Föderation, gefördert durch ein DAAD-PROMOS-Stipendium

2018 – 2019

Zehnmonatiger Auslandsaufenthalt an der Staatlichen UniversitĂ€t Sankt Petersburg, Russische Föderation, gefördert durch ein Erasmus+-Stipendium (KA-107) und ein „Go East“-Stipendium des DAAD

Februar/MĂ€rz 2016

DAAD Go-East Winterschule “Exploring Siberia ’16. Winter Edition”, Irkutsk State Technical University, Russische Föderation


Stipendien

Oktober 2017 – MĂ€rz 2019: Deutschlandstipendium in Kooperation mit der Mebus-Pleuger Stipendienstiftung

April 2016 – September 2016: Deutschlandstipendium


UniversitÀre/wissenschaftliche TÀtigkeiten

Oktober 2019 – September 2020: Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl fĂŒr vergleichende politische Soziologie (Dr. Rafael Mrowczynski), Europa-UniversitĂ€t Viadrina, Frankfurt (Oder)

September 2016 – MĂ€rz 2017: Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl des Juniorprofessors fĂŒr Migration und Integration der Russlanddeutschen (Jun. Prof. Dr. Jannis Panagiotidis), Institut fĂŒr Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), UniversitĂ€t OsnabrĂŒck

September 2016 – August 2018: Studentische Hilfskraft am Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut fĂŒr internationale Schulbuchforschung (GEI), Braunschweig

Praktika am BKGE (Bundesinstitut fĂŒr Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Oldenburg) und GEI (Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut fĂŒr internationale Schulbuchforschung, Braunschweig)

VortrÀge und Publikationen

VortrÀge

Juni 2023
Wissenschaftlicher Kommentar zum Vortrag von Dr. Elena Korowin „Frauen* im Krieg“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zeichen der Zukuknft. Ost-West: Dialoge und Perspektiven“ veranstaltet vom Zwetajewa-Zentrum an der UniversitĂ€t Freiburg e.V.

Vortrag: „Vadim Sidur und die documenta – zwischen Strategie und Zufall“. Workshop: „Die documenta und das östliche Europa“ veranstaltet vom documenta Archiv, Kassel

Projektvorstellung: „In Sidur’s studio. The non-conformist sculptor and artist Vadim Sidur between Soviet cultural policy and transnational networking.“ Kolloquium fĂŒr OsteuropĂ€ische Geschichte an der Forschungsstelle Osteuropa bei Prof. Dr. Susanne Schattenberg.

Juli 2022
Projektvorstellung: „In Sidurs Atelier: Der nonkonformistische KĂŒnstler und Bildhauer Vadim Sidur zwischen sowjetischer Kulturpolitik und auslĂ€ndischer Vernetzung“. 29. Tagung Junger Osteuropa-Expert*innen (JOE), Jena.

Mai 2022
Projektvorstellung: „In Sidurs Atelier: Der nonkonformistische KĂŒnstler und Bildhauer Vadim Sidur zwischen sowjetischer Kulturpolitik und auslĂ€ndischer Vernetzung“. Deutsch-Schweizerischer Studientag fĂŒr OsteuropĂ€ische Geschichte, Wiesneck.

Vortrag: „Ein Spaziergang durch AnsĂ€tze und Konzepte der ‚Memory Studies‘. Forschungskolloquium TransdisziplinĂ€re Erinnerung im östlichen Europa, UniversitĂ€t Freiburg veranstaltet von Dora Kelemen und Charlotte Murphy

Oktober 2021
„Staatlich-zivilgesellschaftliche Netzwerke als KanĂ€le des Transfers von Erinnerungspraktiken zwischen Deutschland und Russland?“, InterdisziplinĂ€re Online-Tagung „Netzwerke im Kulturtransfer“ veranstaltet von Dr. Sebastian Gießmann und Prof. Stephan Packard

Juni 2021
“Instagram Stories and Historical Re-enactment in Social Media Memory: Eva Stories and Ich bin Sophie Scholl”, Online-Konferenz “Memory in Central and Eastern Europe: Past Traumas, Present Challenges, Future Horizons”, Karls-UniversitĂ€t, Prag

Dezember 2020
„Aufarbeitung, Erinnerung, Transfer? – Zum Umgang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und des Stalinismus zwischen Deutschland und Russland“, Projektvorstellung im Kolloquium von Prof. Dietmar Neutatz, UniversitĂ€t Freiburg


Publikationen

Murphy, Charlotte: Instagram Stories and Historical Re-enactment in Social Media Memory: Eva Stories and Ich bin Sophie Scholl, im Tagungsband der Konferenz ‘Memory in Central and Eastern Europe: Past Traumas, Present Challenges, Future Horizons’, 10.06.2021-12.06.2021 an der Karls-UniversitĂ€t, Prag [im Erscheinen].

Murphy, Charlotte/Robert Maier: Migration als Unterrichtsthema in Deutschland und Tschechien. 14. deutsch-tschechische Schulbuchkonferenz. In: Bohemia Band 57 Nr. 1 (2017), S. 173 –177.